„Die Kommunikation mit unserem Publikum hat sich verändert“ (2024)

Film-, Theater- und Tanzfestivals, Ausstellungen, Konzerte, Workshops, Sprachkurse, Leseförderungs-Programme: Das Team des deutschen Kulturzentrums Kronstadt blickt zurück auf fast 18 Jahre voller interessanter Projekte. Die Ziele des Kulturzentrums in der Langgasse/Str. Lung˛ Nr. 31 sind es, die deutsch-rumänische Zusammenarbeit im Kulturbereich zu unterstützen und ein aktuelles Deutschlandbild zu vermitteln.
Die letzten zwei Jahre brachten jedoch unerwartete Herausforderungen mit sich. Die Corona-Pandemie wirbelte alles durcheinander: Kurse mussten online abgehalten werden, auf viele Kulturveranstaltungen musste man verzichten. Doch der Betrieb lief weiter und das kleine Team passte sich an diese schwierigen Zeiten an. Heute plant man die Events der nächsten Jahreshälfte und bereitet Kurse vor. Weiterhin finden Literaturbegeisterte in der Bibliothek des Kulturzentrums die neuesten Romane, die auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises standen. Und die Tanzperformance DisTanz, vom Kulturzentrum organisiert, ist für die diesjährigen Kronstädter Kulturpreise nominiert. Über die letzten zwei Jahre, aber auch über die Zukunftspläne der Kronstädter Institution sprach ADZ-Redakteurin Elise Wilk mit der Leiterin des Kulturzentrums, Roxana Florescu.

Im März 2020 hat sich die Welt, wie wir sie kannten, komplett verändert. Wie waren die letzten zwei Jahre für das Deutsche Kulturzentrum Kronstadt?
Was die Kulturveranstaltungen betrifft, waren wir stark betroffen, wir mussten alle Events absagen. Anfang 2020 war unser Programm für die erste Jahreshälfte schon festgelegt. Vom 6. bis zum 8. März konnten noch die Deutschen Filmtage stattfinden (ein Mini-Filmfestival, das schon zur Tradition geworden ist und das seit mehr als einem Jahrzehnt in der Stadt unter der Zinne organisiert wird, Anm. der Red.).

Es war unser letztes Event, dann kam der Lockdown. Viele interessante Kulturprojekte haben nicht mehr stattgefunden. Im Programm standen unter anderen ein Workshop mit dem aus Kronstadt stammenden Fotografen Fritz Schiel, eine Theatervorstellung für Kinder, ein Konzert anlässlich des Beethoven-Jahres, eine Lesung der Schriftstellerin Dana von Suffrin und eine weitere Theatervorstellung, diesmal im Rahmen des ehemaligen Festivals für politisches Theater in der Redoute. Alle diese Projekte wurden wegen der Pandemie abgesagt.

Wie war es mit den Deutschkursen?

Mit den Kursen war es komplett anders. Die Corona-Krise kam für uns auch mit einer Chance, und zwar hatten wir die Möglichkeit, unsere ältere Idee, Online-Kurse zu organisieren, umzusetzen. Wir hatten schon vor Corona über diese Möglichkeit nachgedacht, haben jedoch immer aufgeschoben, etwas Konkretes in dieser Richtung zu tun.

Doch als der Lockdown kam wussten wir: Jetzt ist der richtige Moment gekommen.Es war eine sehr intensive Zeit, mit vielen virtuellen Treffen und Brainstrorming mit unseren Lehrkräften. In etwa einem Monat haben wir es geschafft, ein Online-Angebot auf die Beine zu stellen. Wir haben verschiedene Videokonferenz-Dienste getestet, wir haben Vorteile und Nachteile vorsichtig abgewogen, unsere Lehrkräfte haben parallel dazu verschiedene Fortbildungskurse besucht. Im April 2020 hatten wir unser Angebot fertig. Das war ein Erfolg, denn es wäre schlimm gewesen, auf unsere Kurse zu verzichten, da sich das Zentrum zum größten Teil aus den Einkommen dieser Kurse finanziert.

Wie reagierten die Leute auf das neue Angebot?

Sie waren sehr offen dafür. Diejenigen, die schon eingeschrieben waren, haben es akzeptiert, online weiterzumachen und wir konnten auch neue Gruppen formen. Das war eine Chance, da auch Leute außerhalb Kronstadts teilnehmen konnten. Wir haben es geschafft, Kursanten aus dem ganzen Land und auch aus dem Ausland zu gewinnen. Die Leute schätzen die Qualitäten des Online-Unterrichts – es ist bequemer und man spart Zeit, weil man nicht mehr den Weg zum Kulturzentrum zurücklegen muss.

Wollen Sie das Online-Angebot auch weiterhin neben den Präsenzkursen beibehalten?

Momentan finden die Deutschkurse ausschließlich online statt. Wir werden darauf nicht verzichte: Das würde bedeuten, auf mehr als ein Drittel einer Gruppe zu verzichten, es gibt Gruppen mit Kur-santen aus Br˛ila, aus Deutschland, aus der Schweiz. Der Kursbetrieb ist heute geringer als 2019, aber höher als im Jahr 2020. Wir haben es geschafft, uns zu stabilisieren, nicht mehr in Verlust zu arbeiten.

Aber es gibt sicher auch den Wunsch, dass alles wieder beim Alten sein soll. Zuerst sollen sich die Leute wieder daran gewöhnen, zu Präsenzkursen ins Zentrum zu kommen. Der Anblick der leeren Kursräume ist sehr traurig. Das ist ein Verlust der Pandemie. Aber die Kinderkurse finden jetzt mit Präsenz statt und das freut uns. Weiterhin werden wir versuchen, auch Präsenzkurse anzubieten. Bis es klappt. Zurzeit ist das Interesse leider sehr gering.

Wie können Sie sich das erklären? Wegen der Angst vielleicht?

Ja, in erster Linie ist es die Angst, sich zu infizieren. Aber ich glaube, es kommen auch andere Faktoren ins Spiel. Vielleicht haben die Leute jetzt einfach andere Prioritäten. Und sie haben sich daran gewöhnt, bequem zu sein.

Finden die Prüfungen auch online statt?

Der Abschlusstest einer Gruppe findet online statt, aber bei der Prüfung für das Goethe-Zertifikat ist Präsenz erforderlich. 2020 hätte eine Prüfung im April stattgefunden, aber sie wurde auf Juli verschoben, mit Distanz und Masken, in diesem Jahr galt die 3G-Regel. Die Leute haben das verstanden und sind gekommen. Es gibt weiterhin ein großes Interesse für die Goethe-Prüfungen.

Wenn Sie auf die letzten zwei Jahre zurückblicken – was war am Schwersten?

Die Kommunikation mit unserem Publikum hat sich verändert. Früher gab es einen einfachen Kommunikationskanal. Jeder, der einen Kurs bei uns besuchen wollte, kam zum Zentrum, wir boten alle notwendigen Infos, er machte einen Einstufungs-Test und schrieb sich ein. Heute, da alles kontaktfrei ist, können die Leute anrufen, eine Mail schreiben, uns auf WhatsApp anschreiben, Kommentare auf unserer Facebook-Seite hinterlassen – es gibt unzählige Kanäle, wo man Informationen anfordert und erhält und es entsteht ein wenig Chaos. Man kann jemanden schwerer überzeugen, wenn man nicht direkt interagiert.

Wie ist die Kommunikation mit dem Publikum der Kultur-events? Wie war Ihr erstes Online-Event?

Das erste Event war ein Online-Video-Podcast in drei Folgen für Kinder, produziert von Lothar Lempp. Nach jeder Folge gab es ein Zoom-Treffen der Kinder mit Lempp, und im Rahmen dieses Treffens konnten die kleinen Zuschauer entscheiden, wie die Geschichte in der nächsten Folge weitergeht. Es war eine Herausforderung für uns, erstens weil wir noch nie eine Online-Veranstaltung organisiert hatten und zweitens weil es schwer ist, ein Zoom-Gespräch mit Kindern zu verwalten. Aber es war ein Erfolg, und alle drei Teile können auch jetzt auf Youtube abgerufen werden.
Das erste Kulturevent mit Präsenz war auch das einzige im Jahr 2020. Es handelt sich um die zeitgenössische Tanzperformance DisTanz mit den deutschen Künstlern Yui Kawaguchi und Amancio Gonzalez, die im Freien, bei der Weberbastei stattfand.

Die Veranstaltung ist auch für die diesjährigen Kronstädter Kulturpreise nominiert.

Ja, es war ein erfolgreiches Event, vielleicht auch weil es sich um ein sehr aktuelles Thema handelte, es ist ein Tanzprojekt über „Social Distancing“. Mit einem 1,5 Meter langen Stock haben die beiden Künstler die Auswirkungen der Abstandregelung auf soziale Begegnungen und unsere körperliche Empfindsamkeit erforscht.

Fanden Sie, dass das Publikum sehnsüchtig nach Präsenz-Kultur-events war?

Ja, das habe ich so empfunden.

Das habe ich selbst auch so wahrgenommen – die Leute, die so viel Zeit zwischen vier Wänden verbracht haben, waren glücklich, wieder in einen Theater- oder Kinosaal zurückzukehren. Doch es gibt viele Organisatoren von Kulturevents, die das Gegenteil behaupten und meinen, das Interesse sei jetzt viel geringer. Was meinen Sie dazu?

Die Sehnsucht existiert in jedem Kulturliebhaber, und Online-Veranstaltungen können das nicht ausgleichen. Während bei den Kursen die Online-Methode perfekt funktioniert, ist es im Falle der Kultur meiner Meinung nach nicht so. Man kann ein Konzert auf Youtube nicht mit dem Erlebnis bei einem Festival vergleichen. Aber ich habe auch bemerkt, dass das Publikum nicht mehr so zahlreich ist. Und Gründe dafür gibt es sehr viele. Dazu zählen auch die vielen Einschränkungen.

2021 war dann ein Rollercoaster-Jahr.

Ja, es war wie beim Lotto. Alle unsere Pläne mussten wir kurzfristig ändern. Zuerst dachten wir, dass es sicher ist, Outdoor-Veranstaltungen zu planen. Aber das Wetter-Risiko war zu hoch. Wir konnten schließlich zwischen Juni und September mehrere Events organisieren – die deutschen Filmtage, ein Jazzkonzert, eine Lesung – alles Indoor-Veranstaltungen. Leider mussten wir unser Festival für zeitgenössischen Tanz, das Ende Oktober hätte stattfinden sollen, absagen. Viele Künstler waren erkrankt, manche der Mitarbeiter auch, und durch die steigenden Fallzahlen drohte die Schließung von Veranstaltungssälen.

Was folgt in diesem Jahr?

Der Kalender steht noch nicht fest. Wir arbeiten gerade daran. Mit Sicherheit werden die Deutschen Filmtage erneut stattfinden, auch ein Jazzkonzert.
Letztes Jahr erfolgte ein Online-Projekt in Form eines Mentoring- und Aktions-Programms für lokale Künstler. Vier etablierte Künstler aus Rumänien haben diese auf die Arbeit und Visionen des Künstlers Joseph Beuys aufmerksam gemacht, so dass die Kronstädter Künstler eigene Werke in den Bereichen Kunst, Konzept, Skulptur, Installation, Performance, Collage und Videokunst erstellt haben. Diese Werke werden 2022 ausgestellt.

Haben Sie in letzter Zeit auch neue Räume in Kronstadt entdeckt, die sich als Austragungsort für Kulturveranstaltungen eignen?

Ich habe von einem neuen Ausstellungsraum gehört, auf der Klostergasse/Str. Mure{enilor, hinter dem Rektorat. Dort sollen zukünftig auch Events organisiert werden. Es gibt viele Orte in Kronstadt, die sich für solche Events eignen würden, doch stößt man immer auf Bürokratie, wenn man etwas dort organisieren will. Oft ist es nicht klar, wer für diese Räume zuständig ist. Die Angestellten des Bürgermeisteramts sind meistens nett und entgegenkommend, sie wollen helfen. Ich weiß nicht genau, woran es mangelt. Vielleicht an Personal und daran, dass man genau wissen sollte, wer für welchen Bereich zuständig ist. Und das sollte transparent sein, man sollte es nicht erst nach stundenlanger Detektivarbeit herausfinden müssen. Man sollte wissen: Das ist der Ansprechpartner, diese Person rufe ich an. Oder, im idealen Fall, sollten die Lokalbehörden aus eigener Initiative zu den Kulturschaffenden gehen und sagen: „Schauen Sie, das sind die Räume, wo Veranstaltungen stattfinden können“. Unsere Arbeit wäre damit um Vieles leichter.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Informationen zu Deutschkursen, Kulturveranstaltungen, Workshops usw. finden sich auf der Homepage unter ccgbv.ro, oder auf der Facebook-Seite des Kulturzentrums: facebook.com/CCGBV/. Die Räumlichkeiten befinden sich im ersten Stock des Gebäudes Langstraße/str. Lung˛ Nr. 31, 500035 Kronstadt.
Das Kulturzentrum ist erreichbar unter der Telefonnummer 0268 473 104, oder per E-Mail unter contact@ccgbv.ro.

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